Tibet im KaiFUDas Elend Tibets ist eine der Tragödien des 21. Jahrhunderts
„Die Wahrheit bleibt Tibets stärkster Verbündeter. Fern unserer Welt, von Bergen umschlossen, gibt es ein Land, das viel größer zu sein scheint als seine geographische Fläche, bedeutungsvoller als es seiner Bevölkerungszahl, mächtiger als es seiner Ökonomie oder seinem politischen Rang entspricht. Es ist nicht einmal mehr ein Land, eher eine Idee, eine Vision, eine Fiktion womöglich, seit es – 1951 – von der Volksrepublik China annektiert worden ist. Und doch: Wenn es eine Karte der Sehnsüchte und Sympathie gäbe, so wäre Tibet darauf als Großmacht verzeichnet.“ (Peter-Matthias Gaede in Peter-Hannes Lehmann – Jay Ullal:“Tibet. Das stille Drama auf dem Dach der Welt“, GEO, Hamburg 2000)
„Sicher kennen Sie den Brauch des Geschenketeilens im Orient. Wenn man einem Freund eine Freude bereiten will, schenkt man ihm einen Käfig mit einem Vogel darin. Und dem Freund steht dann das Privileg und die Freude zu, die Käfigtür zu öffnen. Denn es ist das, was uns wehtut: daß die Tibeter zu Gefangenen in ihren eigenen Heimen geworden sind. Ich fordere Sie auf, die Tibeter bei der gewaltlosen Rückgewinnung dessen zu helfen, was man ihnen genommen hat.“ (Elie Wiesel in einer Hommage an die Tibeter in dem Bildband „Das Gesicht Tibets. Die Kraft des Mitgefühls“, Weingarten 1996 und in „Tibet-Filmfestival – 10 Jahre Tibet im Film / 1989 – 1999 – Nächstes Jahr in Lhasa“ – Abaton-Kino, Hamburg – 25.11. – 15.12.1999)
Eine Frage ist zu stellen: Wieso ist nun gerade eine Foto- und Karikaturenausstellung über Tibet im KaiFU-Gebäude und im Oberstufenhaus zu sehen gewesen? Wieso kamen aus den Vereinigten Staaten, aus London, aus der Schweiz und aus anderen Städten in Deutschland Künstler und Referenten nach Hamburg, um am 14. September 06 die Tibet-Ausstellung in der Aula zu eröffnen? Was gab es für einen Grund? Im letzten Pelikan stand in einem Beitrag über den chinesischen Dissidenten Harry Wu, der im vergangenen Jahr das Kaifu besuchte, der Satz: „Sicherlich wird es wieder einmal möglich sein, im KaiFU einen authentischen Bericht über die Verletzung der Menschenrechte zu hören“. Dieser Wunsch wurde in der Tat vom 14. September – 17. November 06 realisiert, in einem viel größeren Rahmen und in ungewöhnlicher Weise.
Der konkrete Anlaß war die „CHINA TIME 2006“ in Hamburg. 250 Veranstaltungen und der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao im Rathaus am 13. September 06 versetzten Hamburg in eine unglaubliche Chinaeuphorie. Sehr früh zeichnete sich ab, daß kritische Aspekte keinen Platz finden würden. Die vom Dalai Lama und Prof. Carl Friedrich von Weizsäcker 1991 in Hamburg eingeweihte Fotoausstellung „Tibet – Zerstörung einer Hochkultur“ war dann ein geeignetes Medium, diese Lücke zu füllen und nach 15 Jahren in Hamburg auf das „stille Drama auf dem Dach der Welt“ mit großer Vehemenz noch einmal aufmerksam zu machen. Das ist sicher mit der Fotosammlung, der Eröffnung und den Rahmenveranstaltungen gelungen.
Neben der Sektion Hamburg der Tibet Initiative Deutschland e.V., dem Asienreferat & Regionalgruppe der Gesellschaft für bedrohte Völker und der International Campaign for Tibet Deutschland e.V. kamen Lehrer des KaiFU (Klaus Runge, Dr. Joachim Wendt, Andreas Örtel) und Elternratsmitglieder (Dr. Petra Löning, Dr. Susanne Ahle, Johannes Petersen, Helmut Steckel) in einem „Arbeitskreis Tibet“ zusammen, um die Realisierung der Ausstellung und die Eröffnungsveranstaltung zu planen und zu organisieren. Es schien anfangs sehr leicht zu sein, eine vorhandene Fotoausstellung mit 175 großen Rahmen aus 19 Themenbereichen von 40 Fotografen sinnvoll zu hängen, mit Bildlegenden und Texttafeln zu versehen und die beiden Schulgebäude Kaiser-Friedrich-Ufer und Oberstufenhaus Bogenstraße mit verschiedenen tibetischen Symbolen (Transparenten, Glücksfahnen und tibetischen Gebetsfahnen) zu schmücken. Bilderleisten gab es nicht. Sie waren aber die Voraussetzung für die Ausstellung. Der Elternrat verabschiedete einen Antrag an den Schulverein auf Übernahme der Kosten. Nach den Sommerferien stimmte dann der Schulverein der „Investition für die Zukunft“ zu. Die Bilderleisten wurden für beide Häuser angeschafft.
Eine Woche vor der Eröffnung hingen alle Rahmen. Was fehlte, waren nur noch die Karikaturen von Loten Namling aus Bern, die erst um die Mittagszeit des Eröffnungstages vom Zoll in Hannover freigegeben wurden. Aufregend war dann auch die Visumbeschaffung für den tibetischen Publizisten Jamyang Norbu aus Tennessee in den USA,
- Der zweite Teil des Abends war zweifelsohne eine Überraschung für alle Besucher.
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Soname Yangchen, eine großartige tibetische Sängerin aus London, sang verschiedene Lieder ihrer Heimat, kommentierte und erstaunte mit dem Bestseller „Wolkenkind“, in dem sie ihre erschütternde Lebensgeschichte in Tibet, Indien und Europa wiedergegeben hat. Der Buddhismusexperte Alfred Röver aus Kassel las einfühlsam aus ihrem Buch vor. Loten Namling, ein Tibeter aus Bern, war dann mit seinen Liedern und seinem tibetischen Musikinstrument Dranyen der Star des Abends. Eindrucksvoll zeigte er seine künstlerische Begabung als Sänger, Musiker und Schauspieler. Wie er den tibetischen Rap als Glücksbringer tanzte, im Sprechgesang zelebrierte und zu fortgeschrittener Zeit mit seiner mächtigen Stimme tibetische Lieder in der Aula vortrug, war ein absoluter Höhepunkt des Abends.
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Beide Künstler aus dem Exil verzauberten die Besucher. Sie sind einzigartige Kulturträger des seit mehr als 50 Jahren unterdrückten tibetischen Volkes. Im Gespräch legten beide Sänger großen Wert darauf, daß sie nicht als Unterhaltungskünstler zu verstehen sind. Die Einbettung ihrer Beiträge in eine kritische Ausstellung und Vorträgen über das Elend Tibets fand ihren Beifall. Daß in der Fotoausstellung im Oberstufenhaus neben dem in Hamburg bislang noch nicht gezeigten Themenbereich „Dalai Lama“ politische Karikaturen von Loten Namling über „Tibet und China“, „China und der Westen“ und „China und Deutschland“ in einem geschlossenen Eingangsbereich hingen, war das Salz in der Suppe. Die Karikaturen sind schon eine Besonderheit der Ausstellung gewesen. Einige wurden extra für Hamburg gezeichnet. Alle Zeichnungen sind auf den Netzseiten www.tibet-hamburg.de zu sehen.
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Sowohl Soname Yangchen als auch Loten Namling kamen überdies mit den Schülern des KaiFU und des Helene-Lange-Gymnasiums in internen Schulveranstaltungen zusammen. Alfred Röver zeigte Lichtbilder über Tibet und las einige Passagen aus dem Buch „Wolkenkind“ von Soname Yangchen vor. Daß die Referenten und Künstler in das Schulleben eingebunden wurden, war von dem Eltern- und Lehrerarbeitskreis Tibet als sehr wichtiges Element in der Begegnung mit Tibet vorgesehen. Klassen und Kurse beschäftigten sich im Unterricht sehr ausführlich mit Themen der Ausstellung.
Mit Begleitveranstaltungen im Abaton-Kino, in der Universität und in der Cafeteria des KaiFU wurde über den Eröffnungsabend hinaus auf Tibet aufmerksam gemacht. „Angry Monk“ von Luc Schädler, Schweiz 2005 zeigte ein Portrait des rebellischen, tibetischen Mönches Gendun Choepel, der sich als scharfer Beobachter und Kritiker Tibets erwies. 1946 schrieb er: „In Tibet ist alles, was alt und traditionell ist, ein Werk Buddhas. Alles Neue hingegen ist ein Werk des Teufels. Das ist die traurige Tradition meines Landes.“ Sein Leben ist im Hinblick auf den Untergang des alten Tibets, der bis heute anhaltenden Unterdrückung eine Spiegelung der Versäumnisse von Reformen und Modernisierung Tibets vor dem Einmarsch der Chinesen und der Annexion des Landes.
Im Afrika-Asien-Institut referierten der Sinologe Dr. Jörg-M. Rudolph von der Fachhochschule Ludwigshafen und der Jurist Dr. Thomas Weyrauch aus Gießen. Beide erwiesen sich in ihren Vorträgen über das Thema „Wenn China über die Welt kommt“ und in der anschließenden Diskussion als scharfe Kritiker der derzeitigen chinesischen Regierung. Bezeichnend sind ihre Aussagen: „Das chinesische Herrschaftssystem verwandelt das Land und seine Bewohner in die persönliche Beute seiner hauchdünnen Oberschicht“ (Dr. Jörg-M. Rudolph) und Die Situation der Menschenrechte ist der „Sargnagel des politischen Systems“ (Dr. Thomas Weyrauch).
Als Schlußpunkt der Veranstaltungsreihe im Rahmen der Ausstellung sollte der Diavortrag von Bruno Baumann über „Tibets letztes Geheimnis – Auf der Suche nach Shangri La“ stattfinden. Bruno Baumann brachte unlängst das Buch „Der Silberpalast des Garuda. Die Entdeckung von Tibets letztem Geheimnis“ heraus, in dem unnachahmlich an die Forscher Sven Hedin, Wilhelm Filchner, Lama Anagorika Govinda und viele andere angeknüpft wird. Ein Fernsehfilm unterstrich die grandiosen Forschungsergebnisse. Bruno Baumann mußte aber leider kurzfristig absagen. Die Vorbereitungsgruppe war in großer Not. Als Retter des angekündigten Abends mit Bruno Baumann erwies sich dann der Arzt Dr. Wolfgang Wöllmer aus Hamburg mit seinem Diavortrag: „Ins Innere des Mandala. Pilgerreise auf besonderen Wegen am heiligen Berg Kailash. Diavortrag über eine Reise in den Westen Tibets“. Die zahlreichen Besucher des Vortrags waren sich darin einig, daß ein versierter Kenner der Topographie des für Hindus und Buddhisten gleichermaßen verehrungswürdigen Berges in Tibet wunderschöne Bilder zeigte und sehr gut die Besucher um den Kailash führte. Es konnte durchaus der Eindruck entstehen, Mitglied der Reisegruppe zu sein. Daß gleichzeitig auf dem Informationstisch der Tibet Initiative eine frisch gedruckte Broschüre „Tibet – Reisetipps für kritische Touristen“ auslag, war nicht zufällig. Touristen, die den „Heiligen Berg Kailash“ aufsuchen und damit nach Tibet reisen wollen, müssen im Gepäck „Verständnis für die dortige Lage“ mitbringen. Eine gute Vorbereitung hilft den
Tibetern.
von links nach rechts:
Alfred Röver, Loten Namling, Soname Yangchen, Helmut Steckel, Jamyang Norbu, Prof. Jan Andersson
Helmut Steckel (Mitglied im Elternrat)
Quelle: Der Pelikan - Schulmagazin / Heft Nr. 73, Dezember 2006 - Hrsg.: Eltern, Lehrer, Schüler und Ehemalige des Gymnasiums Kaiser-Friedrich-Ufer