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China: Zensur, Gefängnis, Repressalien – eine "angemessene Reaktion"

Vor dem zehnten Jahrestag des Tiananmen-Massakers stehen die Medien in China unter verschärftem Druck.

In den vergangenen zehn Jahren mußten 56 chinesische Journalisten ins Gefängnis, 40 ausländische Korrespondenten wurden verhaftet.

Am 4. Juni 1989 rückten Panzer der chinesischen Armee auf den Tiananmen-Platz in Peking vor. Die Soldaten schossen wahllos, aber auch gezielt auf die dort versammelten Demonstranten und machten die während des "Pekinger Frühlings" entstandene Hoffnung auf demokratische Reformen zunichte – zu denen auch Presse- und Informationsfreiheit gehörten. Die Antwort der Regierung war eine Welle verschärfter Repression, unter der die Medien bis heute zu leiden haben.

Mindestens 56 Journalisten wurden seit 1989 aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit inhaftiert, einige für wenige Wochen, andere für Jahre. 43 von ihnen waren direkt an Aktionen der Demokratiebewegung beteiligt, fünf sitzen noch immer im Gefängnis:

Yu Donggyue, Kunstkritikerin für The News of Liuyang (verhaftet am 23. Mai 1989, 20 Jah-ren Gefängnis); Ju Liping, Jornalist der Beijing Daily (verhaftet am 7. April 1990, 10 Jahre Haft; Chen Yanbin, Mitherausgeber der Untergrundzeitung Tielu (Ende 1990 verhaftet, 15 Jahre Gefängnis); Zhang Yafei, ebenfalls Herausgeber der Tielu (im September verhaftet, 12 Jahre Gefängnis); Liu Jingsheng, Mitarbeiter der Untergrundzeitung Tansuo (verhaftet im Mai 1992, 15 Jahre Haft).

Gao Yu, eine führende Figur der Studentenproteste und Journalist der Economic Weekly, wurde bereits am 3. Juni 1989 inhaftiert und kam am 15. Februar dieses Jahres "aus medizinischen Gründen" frei, darf aber Peking nicht verlassen und keinen Kontakt zu ausländischen Medien aufnehmen. Manche Journalisten stehen unter Hausarrest, andere wurden ins Exil gezwungen wie Wang Juntao, Träger des Menschenrechtspreises 1993 von Reporter ohne Grenzen. Etwa 20 Journalisten mußten ihren Beruf ganz aufgeben, rund 50 weitere wurden Opfer disziplinarischer Sanktionen.

Auch heute ist es riskant, an den "Pekinger Frühling" zu erinnern oder die Regierungsversion der Ereignisse in Frage zu stellen – die Behörden sprechen noch immer von einer "angemessenen Antwort" auf die Proteste. So wurde Cao Jiahe, Chefredakteur der Zeitung Dong Fang beschuldigt, in einem öffentlichen Papier zur Neubewertung der Offiziellen Darstellung des Tiananmen-Massakers aufzurufen. Er wurde verhaftet und berichten zufolge drei Tage lang mit Schlä-gen und systematischen Schlafentzug gefoltert, bevor man ihn am 14. Mai wie-der entließ.

Ausländische Journalisten sehen sich seit Juni 1989 verschärfter Überwachung ausgesetzt – besonders bei Kontakten zu chinesischen Dissidenten. Mehr als 40 Korrespondenten sind in den letzten zehn Jahren vorübergehend festgenommen worden, acht wurden ausgewiesen, darunter die deutschen Journalisten Jürgen Kremb (u.a. Spiegel) und Henrik Bork (Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel).

Aktuelle Situation (1999):

Die chinesischen Behörden versuchten bereits im Vorfeld, die Berichterstattung zum zehnten Jahrestag des Tiananmen-Massakers zu behindern.

Alle Verantwortlichen in Hotels und Appartment-Blocks, die über Satellit ausländische Fernsehprogramme empfangen können, wurden Ende April angewiesen, Sendungen aus Frankreich, Italien, Spanien, Südkorea und Deutschland aus dem Netz zu nehmen. Nach Informationen von Reporter ohne grenzen forderten die Behörden in Shanghai am 24. Mai alle Unternehmen, die Nachrichten für Computernetzwerke bereitstellen, ohne Angabe von Gründen auf, ihre Aktivitäten vorübergehend einzustellen. Seit Mitte Mai sind chinesische Kabelbetreiber aufgefordert, die Programme der Hongkonger Phoenix Satellite Television Company nicht weiterzuverbreiten – bis nach dem 4. Juni.

Seit Anfang des Jahres ergingen mehrere Direktiven, um die Medien bei der Berichterstattung über den 4. Juni auf offizielle Linie zu bringen. Am 22. Januar forderte Präsident Jiang Zemin alle für Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlichen auf, "sozialer Ordnung und politischer Stabilität" besondere Beachtung zu schenken. Jeder Versuch zur Destabilisierung werde "im Keim erstickt". Die Volkszeitung, Organ der Kommunistischen Partei Chinas, berichtete, nach neuen Erlässen werde "jeder bestraft, der Material druckt, kopiert oder verbreitet, das zum Umsturz der Regierung und des sozialistischen Systems oder der Teilung des Landes anstiftet". Im März verschoben die Behörden die Neuvergabe von Lizenzen für Zeitungen auf die zweite Jahreshälfte. Zahlreiche Medien wurden in den letzten Monaten mit Erscheinungsverboten belegt. Und auch das Internet ist nicht vor Zensurmaßnamen gefeit: Im Mai plazierten Computer-Hacker auf den dem Gedenken an das Tiananmen-Massaker gewidmeten Web-Seiten des Journalisten Wang Dan obszöne Bemerkungen und Beleidigungen. (...)

Quelle: Reporter ohne Grenzen, Pressemitteilung vom 31. Mai 1999